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Welch köstliches Amusement!

RAUCH UND SCHALL, von Charles Lewinsky Lewinsky ist unglaublich: In einem stellenweise im Deutsch des 18. Jahrhunderts geschriebenen Roman lässt er uns teilnehmen an Goethes intimsten Privatleben. Auf dem Klappentext steht: «Minuziös recherchierte Fakten, versetzt mit fantasievollen Lügen…» so ist die Geschichte wohl konzipiert und ist zu einem humorvollen Leseerlebnis geworden. Ach dieser Goethe, ein unsympathischer, von sich und seinem Genius überzeugter Mensch, der durch einen schlimmen Schreibstau in existenzielle Nöte kommt. Die wohl «minuziös recherchierten Fakten» lehren uns viel über Standes- und Klassentrennung, das höfische Leben, grässlich starre Umgangsformen, Armut und Reichtum bestimmt mit der Geburt und natürlich die Sprache – kurz, ein lebendiges Bild des Lebens in den deutschen Herzogtümern im 17./18. Jahrhundert. Aber das grosse Vergnügen des Romans liegt natürlich in den «fantasievollen Lügen»: Wie der von Goethe ziemlich verachtete Schwager Christian August Vulpius ein vom Herzog bestelltes Werk für den Meister schreibt und ihm aus dem schrecklichen Schreibstau mit einem Rat heraushilft, der funktioniert: Goethe solle einfach schreiben, grad so und ohne Ansprüche, was ihm in den Sinn komme, einfach drauf los in die Feder. In der Verzweiflung tut er das, was er sich noch nie erlaubt hat: Einfache Verse schmieden, wenig differenzierte Personen erfinden und unbeschwert Dramen kreieren. Er schreibt die Räubergeschichte «Rinaldo Rinaldini» – die dann als das Werk von Vulpius erscheint und ein totaler Bestseller wird. Der damalige Bestseller ist in der literarischen Unbedeutung verschwunden und mit grösster Wahrscheinlichkeit stammt er wirklich von Vulpius… Schon lange musste ich nicht mehr so oft lachen beim Lesen, wie gut das tut!



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