DIE ERFINDUNG DES JAZZ IM DONBASS von Serhij Zhadan Obiger Titel ist geklaut, der Autor wird so auf dem Buchcover genannt. Aber der Begriff scheint mir sehr stimmig. Es ist ein aufwühlendes, stellenweise verstörendes Buch, das aber mit einer grossen, manchmal sprach-akrobatischen Leichtigkeit geschrieben ist und mich völlig in Bann gezogen hat. Die Geschichte ist unruhig, sprunghaft, manchmal kaum nachvollziehbar. Hermann, ein junger ukrainischer Werber, wird informiert, dass sich sein Bruder nach Amsterdam abgesetzt hat und nichts mehr von sich hören lässt. Dieser besitzt am Rande der Steppe im Donbass eine marode Tankstelle. Die beiden Angestellten fragen Herrmann, wie es nun weitergehen soll. Denn das Gelände der Tankstelle wird von einer Oligarchen Mafia sehr unzimperlich zur Nutzung verlangt. Herrmann reist dahin, es ist auch die Gegend in der er aufgewachsen ist. Er trifft alte Bekannte und lernt Olga kennen, die Buchhalterin der Tankstelle. Was dann folgt ist eine Reise ins Innere eines unglaublich korrupten, gewaltbereiten Systems. Als brave Schweizerin ist es mir nicht möglich einzuschätzen, wie weit die Realität geht, wo die Fiktion beginnt. Die Szenen sind teilweise total crazy. Die ZEIT hat zum Buch geschrieben: «Eine Hymne auf die grausam-verrückte Unterwelt des Postsozialismus». Und deshalb für uns ein faszinierender Einblick in eine uns sehr unbekannte Realität. Der Roman erschien 2010, aber erst 2022 in Deutsch. Serhij Zhadan erhielt 2022 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels, auch für seinen Einsatz für seine Landsleute im Krieg. Er setzt sich ein für Verletzte und Obdachlose und weigert sich, die Ukraine zu verlassen. Auf der Website des Friedenspreises ist seine beeindruckende Dankesrede zu hören.
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