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Poetischer Traumtanz

«Späte Gäste» von Gertrud Leutenegger

Der schmale Roman erschien schon 2020 und ich bin glücklich, dass ich ihn getroffen habe. Welch unglaublich schwebende, versponnene, poetische Geschichte! Die Ich-Erzählerin fährt zurück in das abgelegene Tessiner Bergdorf, in dem sie jahrelang mit ihrem damaligen Partner, Orion, und ihrem Kind gelebt hat. Nun ist er gestorben und sie kommt zum Abschiednehmen zurück. Wir erleben die Nacht vor der Bestattung mit ihr. Eine Reise zurück in das Leben mit dem vielleicht genialen, aber total erfolglosen Architekten Orion, dem Gasthaus in einer alten Villa, jetzt verlassen. Traumwandlerisch zwischen Vergangenheit und dem Hier und Jetzt erzählt sie uns von Liebe und Schrecken mit Orion, vor dem sie schliesslich mit dem Kind fliehen musste; vom Wirt, dem Sizilianer, der sich für Flüchtlinge einsetzt, von Serafina, der Frau aus dem Dorf. Und immer wieder Gedanken und Geschichten angeregt von den Freskengemälden im Festsaal der Villa, wo sie die halb schlaflose Nacht verbringt. Und es ist Fasnachtszeit, im Dorf tummeln sich «die Schönen» und «die Hässlichen» hinter ihren Masken. Ihre Tänze nehmen nicht nur die Ich-Erzählerin, auch uns mit in Sphären neben der realen Welt. Die Geschichte ist trotz ihrer poetischen Dichte und Leichtigkeit verbunden mit der heutigen Realität durch die Menschen, die mit Booten in Lampedusa stranden. Und dann unter den Masken im Dorf dabei sind.




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