«Bannmeilen» von Anne Weber Dieser «Roman in Streifzügen», wie Anne Weber ihr Buch nennt, ist ein Meisterwerk in verschiedener Hinsicht. Seit 40 Jahren lebt die deutsche Autorin in Paris und nun bricht sie erstmals auf, die Banlieus kennenzulernen. Sie, «weisse, privilegierte Europäerin» weitgehend identisch mit der Ich-Erzählerin, durchwandert tagelang den nördlichen Bezirk Seine-Sainte-Denise (ca. 1,6 Mio. Einwohner:innen) mit dem Freund Thierry. Er hat algerische Wurzeln, ist in den Banlieus aufgewachsen und lebt noch immer dort. Er ist Filmemacher und möchte dokumentieren, wie sich der Bezirk durch die riesigen Neubauten für die Olympiade im Sommer 2024 verändert. Das ist aber Nebenschauplatz. Vor allem wird uns geschildert, wie die Menschen hier wohnen. Die gigantischen Wohnblocks sind oft sehr heruntergekommenen, viele stehen sogar leer. Autobahnen durchkreuzen die Viertel, Müllberge überall, kaum Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants und Cafés. Meist dunkelhäutige Menschen, verschleierte Frauen, bewegen sich zielgerichtet zwischen den Häusern, flanieren ist hier nicht angesagt. Junge Männer in schwarzen Kapuzenjacken stehen rum, um die Drogendealer mit Pfiffen zu warnen, sollte die Polizei aufkreuzen. Manchmal sind die Schilderungen schwer erträglich. Zum Glück gibt es ein Café, das die Beiden entdecken und immer wieder aufsuchen: Ein Ort wo sich verschiedenste Menschen friedlich treffen. Rachid, der Besitzer, ein Franzose mit Berber-Wurzeln, versteht es, alle willkommen zu heissen. Unaufdringlich-freundlich ist die Stimmung und die zwei Fremden gehören mit der Zeit einfach dazu. Diese Szenen haben etwas sehr tröstliches. Im Gespräch sagte Anne Weber «Ich bin keine Bescheidwisserin» und genau das ist so beeindruckend an diesem Buch: Mit einem menschenfreundlichen Blick beschreibt sie, versucht zu verstehen, setzt sich auch immer wieder mit Thierry auseinander. Die unterschiedlichen Hintergründe der beiden führen zu erhellenden Einblicken in die Existenz von Welten, welche die wenigsten von uns kennen.
