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Grünes Licht - wenn Gerichtsbarkeit vor Menschlichkeit steht

  • Elena Wilhelm
  • vor 4 Tagen
  • 2 Min. Lesezeit

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Pavel Cuzuiocs Dokumentarfilm „Grünes Licht“ feierte in Locarno Weltpremiere. Er begleitet den in Deutschland praktizierenden Neuropsychiater Dr. Johann Spittler bei seiner Arbeit mit Menschen, die einen assistierten Suizid wünschen.

Mit ruhiger, zugewandter Kamera und einem der Stille verpflichteten Schnitt (Anna Kirst) entsteht eine respektvolle Nähe zu den Menschen mit Sterbewunsch, die zum Nachdenken einlädt.

Die Kamera verharrt oft lange, fast unbeweglich. Kein hektisches Schneiden, keine inszenierte Dramatik. Wir werden dabei zu Zeugen, nicht zu Voyeur:innen.

So öffnet sich ein Raum, in dem das Publikum selbst denken, fühlen und Position beziehen kann. Spittler erscheint als empathischer Kämpfer zwischen professioneller Distanz und menschlicher Betroffenheit. Er wägt ab, zweifelt. Er spricht von der biologischen Programmierung zum Überleben und steht dennoch jenen bei, die entschieden haben, nicht mehr leben zu wollen.

Diese Gratwanderung wird in jeder Szene spürbar. Zuhause, im Gespräch mit seiner Frau, fällt auch seine Fassade und zeigt, wie sehr ihn diese Arbeit auch persönlich fordert.

Der Film kulminiert in einem juristischen Paukenschlag: Ein Gericht verurteilt Dr. Spittler in diesem Jahr wegen Totschlag. Laut Anklage habe ein Patient an einer paranoiden Schizophrenie und Depression gelitten, die seine freie Willensbildung (in Deutschland: Freiverantwortlichkeit) beeinträchtige. Auch Spittler diagnostizierte bei dem Mann eine psychische Erkrankung, sah durch sie aber die freie Willensbildung nicht eingeschränkt. Das vom Gericht in Auftrag gegeben Gutachten war notgedrungen rein aktenbasiert.

Selbst wenn es sich hier um einen ärztlichen Kunstfehler gehandelt haben sollte: Solche werden kaum je mit drei Jahren unbedingter Haft bestraft.

Wir sind fassungslos. Auch als aktuell tätige und ehemalige Bezirksrichterinnen. Und darüber, wie unfähig wir nach wie vor sind im Umgang mit Sterben, Tod und psychischer Erkrankung.


Wir hoffen, dass der Film einen Schweizer Filmverleih findet und er für das grosse Publikum zugänglich wird.

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