Echt jetzt?
- Elena Wilhelm
- vor 4 Tagen
- 1 Min. Lesezeit

Täuschend echt von Charles Lewinsky.
Der Mann ist etwas über Vierzig, bereits überzählig geworden in einer Welt, die lieber jung, laut und datengetrieben denkt. Der Job ist weg. Die Partnerin auch. Sie hiess Sibylle, hatte sich ihm aber als Sonja anvertraut. Und das Konto ist leer. Was macht man in so einer Lage? Man schreibt einen Bestseller. Nicht allein, sondern zusammen mit einer KI, die der Protagonist zärtlich und freundschaftlich Kirsten nennt. Gemeinsam erfinden sie Schabnam, eine junge afghanische Frau mit einer tragischen, herzzerreissenden Biografie. Die vermeintliche Autobiografie wird ein voller Erfolg. Je grösser der literarische Erfolg, desto mehr allerdings gerät das Spiel mit Wahrheit und Täuschung aus dem Ruder. Lewinsky inszeniert die doppelte Erzählung – die des desillusionierten und dank KI zunehmend in Fahrt geratenden Ich-Erzählers und die seiner afghanischen Frauenfigur Schabnam - als kluges Vexierspiel über Wahrheit, Lüge und die Frage, ob Authentizität eigentlich noch ein Kriterium ist, wenn sich das Falsche doch so echt anfühlt. Was ist Wahrheit in Zeiten der mit Hilfe von KI generierten Erzählung? Und ist das künstliche Erzählen wirklich unechter – oder allenfalls sogar wahrer? Täuschend echt ist kein kulturpessimistisches Manifest gegen Künstliche Intelligenz. Es ist ein vergnüglicher und ironischer Roman über Selbsttäuschung, Erzähllust, Erfindung und Betrug. Die Sprache ist flüssig, pointiert, manchmal bewusst trivial. Ein Roman über einen Roman, der keiner ist. Und die (vermeintlichen?) KI-Passagen sind echt (täuschend?) künstlich.