Es ist mir schleierhaft, warum ich noch nie von Nadia Fares gehört habe bis zu diesem grossartigen Film. Offenbar ist sie in den USA bekannter als hier. Sie hat auch an der New Yorker School oft the Arts Ende der 90er Jahre studiert. Aufgewachsen ist sie mit einer Berner Mutter und einem ägyptischen Vater im Bernbiet. Allerdings musste ihr Vater die Schweiz verlassen, als sie ein Kind war, eingefädelt vom Schwiegervater, dem der Tochtermann gar nicht genehm war. Das erfahren wir auch, in «Little big women», denn der Film spielt gekonnt auf mehreren Ebenen: Wir begleiten drei junge Aktivistinnen in Kairo auf ihren Touren per Velo (in diesem Verkehrschaos) in die armen Quartiere, wo sie Essen verteilen und mit den Frauen reden – unglaublich, wie Welten aufeinanderprallen in der gleichen Stadt. Dann erzählt ihre Berner Grossmutter, die liebevoll «Mamchen» genannt wird, ganz ungeniert über die Schmach für eine Frau, wenn sie nur Mädchen auf die Welt bringt. Dass die entsprechende Weltanschauung – in Ägypten sehr präsent – bei uns einfach ein paar Jahrzehnte zurückliegt, fliesst unspektakulär ein. Die Höhepunkte im Film aber sind die Gespräche mit Nawal el Saadawi (1931-2021), der grossen Kämpferin für die Rechte der Frau, Schriftstellerin, Gynäkologin, Politikerin. Ihre Romane (z.B. «Ich spuke auf euch») haben wir als Jung-Feministinnen auch in Europa hoch geschätzt. Und jetzt im Film: Total beeindruckend, was sie erzählt über die Hoffnungen, die es z.B. unter Nasser für Demokratie und Frauenrechte in Ägypten gab und dann wieder 2011 bei den Aufständen auf dem Tahrir und dem Sturz von Hosni Mubarak. Noch mit über 85 Jahren strahlt sie eine überwältigende Kraft aus. Nadia Fares sagt, dass diese Gespräche mit Nawal el Saadawi für sie eine Bedingung waren, um diesen Film zu realisieren – und dass sie Jahre brauchte, um die ägyptische Grand old Lady zur Mitarbeit zu gewinnen. Es hat sich sehr gelohnt!
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