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Eine Welt die verschwindet

KÜHE AUF DEM Dach von Aldo Gugolz Die Alpe d’Arena oberhalb des Val Vergeletto, einem Seitental des Val Onsernone, ist sozusagen am Ende der Welt, der Tessiner Welt jedenfalls. Man kann sie nur zu Fuss erreichen und trotzdem wird sie noch jeden Sommer bewirtschaftet von Fabiano und wechselnden Helfern. Aus der Milch der Kühe und Geissen macht er Käse, in Geduldsarbeit im Kupferkessel über dem offenen Feuer. Der Film erzählt über fast zwei Jahre, im ersten Teil ist seine schwangere Partnerin Eva und der junge Deutschschweizer Dominik dabei, später dann auch Söhnchen Santino. Fabiano kämpft: Mit der harten Arbeit, mit Schulden die er dumm gemacht hat, mit den schlechten Preisen für seinen Käse, vor allem aber mit seinen Schuldgefühlen seit dem Tod seines mazedonischen Helfers Nikola. Dieser ging eines Abends ins Tal, um am TV in der Beiz einen Fussballmatch zu schauen und kam nicht mehr zurück. Erst Monate später wurde seine Leiche im unwegsamen Gelände gefunden. Fabiano hatte Nikola schwarz beschäftigt und sein Verschwinden wohl auch deshalb nicht sofort der Polizei gemeldet. Hätte er seinen Tod verhindern können, wenn man sofort nach ihm gesucht hätte? Fabiano ist im Tal mit bösen Verdächtigungen konfrontiert, die Polizei ermittelt. Der Fall wird abgeschlossen als Unfall ohne Fremdeinwirkung. Bis sich neue kriminalistische Fährten eröffnen, die aber nicht verraten seien. Doch der Film erzählt neben diesem Drama viel Anderes: Nebel und Regen auf der Alp, es tropft in die Hütten, diese sind in schlechtem Zustand, weil nichts mehr investiert wird von der Cooperative. Die wunderbar liebevolle und enge Beziehung der Älpler mit den Tieren, deren glückliches Leben (man sieht es!) auf den Alpweiden. Fabiano ist der Sohn von deutschschweizer Aussteigern, die in den 70er und 80er Jahren das Onsernone besiedelten und mit ihrer völlig anderen Lebenswelt – Kommunen, Kiffen, Konsumverweigerung – für die Einheimischen eine kritisch beäugte Herausforderung waren. Auch von dieser Kindheit in der Hippieblase erzählt Fabiano. Was er heute lebt und wie er arbeitet ist ganz anders, er ist nicht mehr Teil einer Bewegung. Er will etwas weiterführen, das einmal ein Aufbruch war und jetzt eher exotisch wirkt. Mich hat der Film, besonders weil ich das Vergeletto und die Alp kenne und diese Zeit auch am Rande miterlebt habe, berührt und traurig gemacht.


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