SEINETWEGEN, von Zora del Buono Erst mit 60 Jahren geht Zora del Buono auf Spurensuche des Mannes, der mit seinem Überholmanöver die Frontalkollision verursacht hat, die ihrem Vater das Genick brach. Dieser war ein aufstrebender junger Mediziner, Oberarzt am Röntgen-Institut des Zürcher Kantonspitals. Sie selbst war acht Monate alt, hat ihn also nicht bewusst erlebt. Ihre Mutter, die junge, attraktive Witwe, hat nie mehr geheiratet. Getrauert hat sie wohl ihr Leben lang, über den toten Ehemann und Vater gesprochen kaum. Und das, schreibt die Tochter, lag nicht an der Mutter, sondern an ihr. «Ich konnte den Schmerz in ihrem Gesicht nicht ertragen, wenn sie von ihm sprach.» Das Kind erlebt das vaterlos sein als normal, leidet nicht darunter. Obwohl es in den 70er Jahren noch wenig alleinerziehende Mütter gab, da Scheidungen selten waren. Zora del Buono lässt uns teilhaben an vielfältigen Szenen ihres Lebens: Kindheitserinnerungen, Ferien bei den Grosseltern in Bari (deren Geschichte sie in ihrem letzten Roman «Die Marschallin» erzählt hat), ihre wilden Jahre im Berlin der 80er, Gespräche mit Freund:innen heute. Und immer wieder das Zusammensein mit der aktuell schwer dementen Mutter. Der rote Faden aber ist diese Suche nach E.T. – das war zuerst alles, was sie vom Unfallverursacher wusste. Dieser Suche, die immer wieder neue Fragen aufwirft, Unsicherheiten ergibt, die Autorin neu konfrontiert, folgen wir Leser:innen mit viel Anteilnahme und ja, auch viel Spannung. Die Suche verdichtet sich und wie sie endet, darf natürlich nicht verraten werden. Aber neben dem Schmerz und der Wut gibt es auch Mitgefühl und Versöhnung. Mir scheint es ein wunderbares Beispiel für die richtigen Entscheide in der richtigen Zeit des Lebens.